Stierkampf-Debatte in Katalonien beunruhigt französische Stierquäler

Die Gesetzesinitiative zu einem Stierkampfverbot in Katalonien lässt die französischen Stierquäler nicht mehr ruhig schlafen. Bisher saßen sie auf dem hohen Ross und wähnten sich unangreifbar, da sie doch den Schutz von Präsident Sarkozy und seiner Regierung genießen, deren wichtigsten Minister begeisterte und bekennende Stierkampffans sind. Dass ausgerechnet in Spanien, dem Ursprungsland der Corrida, über die Abschaffung des Stierkampfs diskutiert wird, muss sie sehr schockiert haben. Besonders den nordkatalonischen aficionados aus dem französischen Teil Kataloniens ist der Schreck in die Glieder gefahren. Sie fürchten nun, die spanische Kulturschande in Katalonien allein und völlig isoliert aufrecht erhalten zu müssen. Die französischen Stierquäler verspüren, dass bald der politische Schutz nicht mehr ausreicht, wenn die bisher passive Ablehnung durch die Mehrheit der Bevölkerung, wie mit dem Referendum im spanischen Katalonien geschehen, einen politischen Ausdruck findet.

In der letzten Woche ist das Projekt des Stierkampfverbots in Katalonien mit der Anhörung von Stierkampfbefürwortern und -gegnern durch das katalonische Parlament in die heiße Phase übergegangen. Es mutet schon seltsam an, dass als Verteidiger des Stierkampfs ausgerechnet drei prominente französische Stierkampfbefürworter vom katalonischen Parlament vorgeladen wurden – vielleicht in Ermangelung von Stierkampfpromis aus der eigenen Region? Die katalonischen Abgeordneten waren sicherlich sehr davon beeindruckt, dass die französischen Stierkampfexperten ihre Plädoyers in französischer und nicht in katalonischer Sprache gehalten haben. Hätten sie jedoch Spanisch, der Lingua franca der Stierquäler, gesprochen, die sie sicherlich gut beherrschen, hätten sie sich ihren Auftritt vor den nach Autonomie bestrebten katalonischen Parlamentariern sparen können. Begleitet wurde die Intervention der französischen Stierkampfvertreter mit einem offenen Brief „aller“ französischen Pro-Stierkampfpolitiker an das katalonische Parlament. Peinlich, denn drei der angeblichen Unterzeichner unterstützten die Initiative aus dem Jenseits, sechs Bürgermeister und 19 Abgeordnete sind schon lange nicht mehr im Amt , sieben Abgeordnete wurden zweimal aufgeführt und zwei sind erklärte Gegner der Corrida!

In ihren Ausführungen gebärdeten sich die Franzosen als Gralshüter der spanischen Corrida und faselten von althergebrachter Stierkampftradition in ihrem Lande. Dabei verschwiegen sie wohlweislich, dass die Corrida ein pures Importprodukt ist, das zudem noch vor rund 160 Jahren mit einem Gesetzesbruch in Frankreich eingeführt wurde: Napoleon III. konnte dem Wunsch seiner frisch angetrauten spanischen Gattin Eugénie de Montijo nicht widerstehen, zur Begrüßung auf französischem Boden in der Stadt Bayonne einer Corrida beiwohnen zu wollen. Das störende Tierschutzgesetz wurde ihr zuliebe kurzerhand abgeschafft. Seitdem ist die Geschichte der Corrida in Frankreich vom wechselnden Verbot und Wiederzulassung geprägt. Im Jahre 1950 wäre sie beinahe ganz abgeschafft worden, wenn nicht in letzter Minute die Stierkampfveranstalter eine Ausnahmeregelung zum Tierschutzgesetz für die Corrida durchgesetzt hätten. Stierkämpfe werden in diesem Gesetz zwar als Tierquälerei angesehen, jedoch von den Strafbestimmungen ausgenommen, wenn für sie eine „ununterbrochene lokale Tradition“ nachgewiesen werden kann. Seitdem beschäftigten sich damit unzählige Gerichte, diese drei Begriffe zu interpretieren, und jedes Mal wurde gegen die Leid geprüften Stiere entschieden.

Mit der Entwicklung in Katalonien beginnt es im französischen Stierkampfimperium zu bröckeln. Umfragen zeigen, dass die Bevölkerung es nicht mehr als schick ansieht, wie dazumal Picasso und Jean Cocteau sich in den von der mediterranen Sonne durchströmten Arenen Südfrankreichs an dem blutigen Gemetzel ergötzten. Die Mehrheit der Franzosen lehnt den Stierkampf rundweg ab und nur im Süden duldet die Bevölkerung, allerdings ohne großes Interesse, das grausame Spektakel. Gäbe es in Frankreich wie in Katalonien die Möglichkeit, mit einem Referendum über das Schicksal der Corrida zu entscheiden, bestünde kein Zweifel über dessen Ausgang. So können die Politiker weiterhin lavieren; sie haben sowieso nicht viel zu entscheiden, denn der Ober-Aficionado im Elysee-Palast lässt sich das letzte Wort nicht nehmen.

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